AVOD: Werbeunterbrechung – Ja, bitte!
Die junge Zielgruppe akzeptiert Werbung bereitwillig – bei Video-on-Demand und zum richtigen Zeitpunkt.
Nachdem Netflix und Amazon Prime Video im Pay-Bereich Pionierarbeit geleistet haben, rückt der werbefinanzierte VoD-Markt (AVOD = Advertising-based Video on Demand) immer stärker in den Fokus der nachrückenden Medienunternehmen und der deutschen Fernsehsender.
Doch wie viel Zuschauerpotenzial verbirgt sich noch in diesem Bereich und welche Marktmacht kann die werbetreibende Industrie durch ihre Einbuchungen bei den entsprechenden Portalen langfristig finanzieren? Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Research bei Goldmedia, gab bei den fünften Tasting Talks Antworten.
In seinem Kurzvortrag „AVoD: Rettung für den Werbemarkt! – Wie Advertising-based Video on Demand mit lokalen Inhalten den Bewegtbildmarkt verändert“ stellte er die wichtigsten Eckdaten vor: Im Markt wetteifern verschiedenste Anbieter um die Aufmerksamkeit der Nutzer: ProSiebenSat.1 mit den sendereigenen Mediatheken sowie der Freemium-Plattform Joyn, die Mediengruppe RTL ebenfalls mit ihren Mediatheken und TVNOW, Sky Media, im klassischen Medienbereich kommen Ströer, Burda, Media Impact, Spiegel Media und Gruner+Jahr hinzu sowie kleinere Anbieter. Für 2020 haben Amazon mit imdbTV und NBC Universal (Peacock) AVoD-Plattformen angekündigt.
Der Boom ist kein Wunder, steigt doch die Nachfrage der Zuschauer. Gerade bei den 14-29-Jährigen Usern wächst die Nutzung: Zehn Prozent sahen 2019 mindestens einmal im Monat TV-Live-Streams – gegenüber 7,7 Prozent im Jahr 2016. Bei den 30- bis 49-Jährigen ist ein Zuwachs von 5,1 auf 8,1 Prozent zu verzeichnen.
Parallel dazu vergrößert sich der Markt für werbefinanziertes Video-on-Demand (AVoD). Bis 2024 erwartet Goldmedia hier einen Anstieg von 15 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro Umsatz. AVoD wird, so die Analyse des Beratungsunternehmens, 2024 einen Anteil von 37 Prozent am gesamten VoD-Markt erzielen (6,5 Milliarden Umsatz).
Das Tasting von Dr. Kerkau griffen die Experten Philipp Frenz (Team Lead Digital Business Development/Joyn), Robert Richter (EMEA Partnership Solutions Broadcast, Media & Entertainment/Google) und Magnus Fischer (Head of Program Management VOD/ Mediengruppe RTL Deutschland) auf. Die statistische Auswertung stimmt mit ihrer Erfahrung in der Praxis überein: Video-on-Demand, das auf Werbung basiert, wird vom Zuschauer sehr gut angenommen. Umgekehrt ist AVoD für Werbungtreibende spannend, da sie dort Zuschauer erreichen, die sie im linearen Fernsehen nicht (mehr) ansprechen können.
Fischer betonte: „Unterbrecherwerbung bei AVoD muss dem Zuschauer vermitteln: Sie kommt genau im richtigen Moment. Die Botschaft passt zu mir.“ Für Frenz ist es essenziell, dass AVoD-Anbieter in lokalen Content („Originals“) investieren müssen. „Und in Technologien“, fügte Robert Richter hinzu. Hier müsse man sich an den großen Playern orientieren. Die Teilnehmer waren sich abschließend einig: Vom starken Content profitieren alle – Kunden, Werbungtreibende und Vermarkter.
Auch diesmal fragten wir wieder unsere Webinar-Teilnehmer nach ihrer Einschätzung: Welche Auswirkungen der Corona-Krise sind auf dem Werbemarkt zu erwarten? Der Werbemarkt wird eine längere Krise überstehen müssen, sagten 58 Prozent. Der Werbemarkt wird sich nach einer kleinen Flaute schnell erholen, finden 32 Prozent. Nur zehn Prozent waren der Meinung, dass der Werbemarkt profitiert, weil insbesondere der Online-Handel stark wächst.
Frank Apfel, Moderator der Tasting Talks und Geschäftsführer Apfel Programm Marketing, hatte im Anschluss an die Diskussion gleich zwei Genussempfehlungen parat: Riesling trocken, Jahrgang 2019 vom VDP-Weingut A. Christmann, Gimmeldingen/Pfalz und Le Perle, Extra Brut, Jahrgang 2014, Weingut Corte Pavone, Montalino/Italien.
Sie fragen – unsere Experten antworten
Zuschauer: „Welche Rolle im Markt wird d-force spielen und wie positionieren sich ProSieben und RTL in ihrer Partnerschaft gegen Google und Co.?
„Die Vernetzung nationaler Player bei der Werbeausspielung ist enorm wichtig, um ein Gegengewicht zu den US-Playern zu bieten. Hier muss kontinuierlich weiterentwickelt werden.“
Zuschauer: „Muss angesichts der beschriebenen reduzierten Möglichkeit, Umsatz im eigenen Markt zu generieren, auch in Deutschland mehr Content mit Blick auf den internationalen Markt produziert werden?“
„Ja, das ist das Ziel. Allerdings sind auch immer wieder sehr lokale Produktionen notwendig, um sich aus dem internationalen „Mainstream“ hervorzuheben. Diese lassen sich dann natürlich nur begrenzt international verwerten.“
Zuschauer: „Ist Hulu eine Orientierung, wie Werbeintegration funktionieren kann?“
„Das wird 1:1 bei uns nicht funktionieren, schon alleine aufgrund der Situation mit den starken ÖR-Programmen.“
Zuschauer: Why do gaming platforms not count in video avod and svod study? Twitch is 4th highest player in the video content space, especially in the last month. How does European markets fare?“
„Gaming is a separate market, which we also analyse separately (with esports). But there are actually some overlaps.“
Zuschauer: „Bytedance plans to enter the European/ German market with video content offerings. What impact will that have on millennial audiences, the advertising spends on local platforms?“
„Let’s see what kind of offering they will have in the end.“
Zuschauer: „What new or renewed Ad formats and strategies would we see in this downtime?“
„That depends on how long the lockdown lasts. Surely there will be a shift in advertising content first, e.g. from travel to online commerce.“
Zuschauer: „Was denkt ihr, wie viele monatliche Nutzer sind für einen AVOD Dienst erforderlich, um nachhaltig als standalone Geschäft funktionieren zu können?“
„Das kommt sehr stark auf die Kostenstruktur an. Je besser die Inhalte, desto mehr Nutzer benötigt man. Es ist also eine Frage der Balance. Momentan sind die meisten Anbieter ja noch in der Investitionsphase und subventionieren ihre Angebote quer. Auf eine Antwort müssen wir also noch etwas warten.“