Media Tasting News

5
Jun

Ein Rezept für alle funktioniert nicht

Die Kreativwirtschaft zählt zu der am stärksten betroffenen Branche der Krise. Alleine die Musikwirtschaft bilanziert Verluste in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Aber auch Rundfunk, private Fernsehsender, Filmwirtschaft, Musikwirtschaft, Event- und Konzertveranstalter verbuchen tiefrote Zahlen. Die siebten Tasting Talks befassten sich deshalb mit dem Thema „Kreativwirtschaft – Wege aus der Krise oder neue Normalität?“ sowie der tagesaktuellen Frage: „Was bringt das Corona Konjunkturpaket der Bundesregierung der Kreativwirtschaft? Schall und Rauch oder echte Hilfe für unseren Markt?“

Den Überblick über den derzeitigen Status gab Katharina vom Dahl, Consultant Goldmedia. Basis für ihren Kurzvortrag war der Standortmonitor von Goldmedia, der Datenservice für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Kreativwirtschaft erwartet 2020 im besten Fall einen Umsatz von 7,15 Milliarden Euro. Das „Real Case Szenario“ geht von 3,88 Milliarden aus, das „Wort case Szenario“ von mageren 2,22 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2019 waren es zehn Milliarden Euro.

Dabei sind die Branchen innerhalb der Kreativwirtschaft unterschiedlich betroffen. Allerdings fürchtet die Hälfte der Befragten für ihr Geschäft einen Umsatzrückgang von „50 Prozent und mehr.“ Das Kernproblem sind dabei die Einbußen durch Veranstaltungsabsagen, gefolgt von Einbrüchen bei Nachfragen und Stornierungen. Gefragt welche Maßnahmen gut ankommen, wurde an erster Stelle das Kurzarbeitergeld genannt, Steuerstundungen sowie die Soforthilfe, die beispielsweise Berlin unbürokratisch auszahlte.

Die Krise brachte auch Gewinner hervor, wie die Autokinos. Auch stieg die Sehdauer bei den Fernsehsendern. Die Streamingdienste verzeichneten ebenfalls mehr Zugriffe. Das lag nicht nur daran, so die Analyse von Goldmedia, dass die Menschen zu Hause waren, sondern auch am Launch von Disney+ sowie den Osterfeiertagen.

Was aber braucht es künftig für eine Regeneration? Hier nannte Katharina vom Dahl unter anderem Infrastrukturfonds für Kultur, die Wiedereröffnung von Produktions- und Präsentationsorten, Aufträge der öffentlichen Hand und Planungssicherheit. Wichtig sei vor allem eins: Es muss zielgerichtet und differenziert gefördert werden.

Die anschließende Diskussionsrunde moderierte Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia. So wollte er von Dr. Angela Frank, Unitleiterin Kultur- und Kreativwirtschaft der MFG Baden-Württemberg, wissen: Wo kann noch gezielt geholfen werden? „Wir hören sehr genau in die Branche hinein“, sagte Dr. Angela Frank. Mit der rasch eingeführten Hotline sei man direkt am Puls der Kreativen. „Wir erleben eine tiefgreifende Transformation in allen Bereichen. Aber: Stillstand ist keine Option.“ Diese Tatkraft der Kreativen brachte auch die Kampagne „Baden-Württemberg bleibt kreativ“ zum Ausdruck.

„Wir erleben eine tiefe Solidarität in der Krise“, berichtete Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie. Da die Branche eine besondere Vulnerabilität aufweise, wisse man, wie wichtig es ist, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das Konjunkturpaket lindere sicher die Situation, aber man müsse genau schauen: Was hilft wem? „Hier wurde eine politische Chance vertan, differenziert zu unterstützen. „Wir sind gemeinsam die Infrastruktur.“ Es ginge nicht um Summen, sondern um die Wertschöpfung.

Welche Veränderungen sind jetzt schon sichtbar? „Hybride Veranstaltungen werden Bestand haben“, ist sich Dr. Angela Frank sicher. „Jeder möchte ein Format haben, bei dem man nicht nur zuhören, sondern auch aktiv teilnehmen kann, bei dem man aber nicht reisen muss.“

Musik im Netz erreicht jetzt auch Menschen, die sie vorher nicht dort gesucht haben – zum Beispiel haben immer mehr Klassik-Fans, die in der Regel älter sind, digitale Angebote entdeckt. Im Hinblick auf die Musikindustrie im Allgemeinen, warnte Dr. Florian Drücke: „Innovation und Kreativität sind die Assets unserer Branche. Deshalb muss man aufpassen, dass sich die Wertschöpfungskette nicht verschiebt.“ Kostenlose Streaming im Netz können nicht die Zukunft sein.

Die Referenten waren sich einig: Mit der Krise – die möglicherweise noch länger dauert – kommen tiefgreifende Veränderungen auf uns zu, die bestehen bleiben werden.

Die Online-Umfrage des Tasting Talks lautete diesmal: Wird das neue Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung auch der Kreativwirtschaft aus der Krise helfen? Die Hälfte der Teilnehmer gaben an „unsicher“ zu sein. Nein, sie hilft nicht, sagen 28 Prozent, 22 Prozent waren überzeugt, das Paket kann unterstützen.

Den Abschluss des kurzen und präganten Talks bildetet, wie immer, die Genussempfehlung von Gastgeber und Geschäftsführer Apfel Programmmarketing, Frank Apfel: Plansel Selecta weiß 2019 aus Portugal. Das Weingut Quinta da Plansel ist ein Familienbetrieb unter Leitung von Dorina Lindemann.