Ende des Nebenkostenprivilegs: Wer gewinnt den Wettlauf um die Kunden?

Ende des Nebenkostenprivilegs: Wer gewinnt den Wettlauf um die Kunden?

Jan 24, 2024 | Newsroom

  • 35. Tasting Talk am 19.01.2024
  • Jean Pierre Crapet (Deutsche Telekom) gibt Update zum Wegfall des Nebenkostenprivilegs
  • Anschlussdiskussion mit Niklas Brambring (Zattoo) und Michael Gundall (Verbraucherzentrale RLP)

Bisher war es durch das sogenannte Nebenkostenprivileg für Vermieter möglich, Sammelverträge mit Netzbetreibern abzuschließen und die Kosten von TV-Kabelanschlüssen über die Mietnebenkosten abzurechnen. Unabhängig davon, ob der Mieter diese nutzte oder nicht, wurden die Gebühren anteilig auf die Mietparteien umgelegt. In den 1980er Jahren verabschiedet, um die Kabelnetzversorgung anzukurbeln, endet diese Regelung nun am 30. Juni 2024. Mieter erhalten dadurch mehr Freiheit und die Möglichkeit, sich ihren TV-Anbieter und den Empfangsweg frei auszuwählen. Für die Provider und Netzanbieter bedeutet dies vor allem mehr Wettbewerb. Mit unseren Gästen haben wir darüber gesprochen, welche Veränderungen für den Markt zu erwarten sind und welche Anbieter von dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs am meisten profitieren werden.

Die zahlreichen Zuschauer am Freitagnachmittag waren sich da noch nicht einig. Lediglich 30% gingen vor dem Talk davon aus, dass es strukturelle Veränderungen im Markt geben würde, während 25% noch unsicher über die grundsätzlichen Konsequenzen der gesetzlichen Änderung waren. 45% gingen von eher überschaubaren Auswirkungen auf die Branche aus. Um mit Tiefgang und dem nötigen Knowhow in die Diskussion zu starten, führte Jean Pierre Crapet (Strategy & Business Development MagentaTV, Deutsche Telekom) in die Thematik ein. Komplettiert wurde die anschließende Diskussionsrunde um Moderator Dr. Jörn Krieger von Dr. Niklas Brambring (CEO, Zattoo) und Michael Gundall (Fachbereich Digitales & Verbraucherrecht, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz). Die Aussagen der Experten im Überblick:

Jean Pierre Crapet, Strategy & Business Development MagentaTV bei Deutsche Telekom, sieht im Wegfall des Nebenkostenprivileg eine „Once-in-a-Lifetime“-Chance für TV-Anbieter. Er weist darauf hin, dass etwa 12,5 Millionen Haushalte Kabelfernsehen über das Nebenkostenprivileg nutzen und nun frei werden. Besonders in Ballungszentren im Westen des Landes ergeben sich daher große Vertriebschancen für die Anbieter. „Die Herausforderung liegt in der Aktivierung“ dieser Haushalte, sagte er und stellt klar: „Der Kampf um das große Potential hat gestartet – wir und andere sind da schon aktiv“.

Als primäre Zielgruppe hat die Telekom die „Aktiven“ ausgemacht. Laut eigener Marktforschung sollen diese etwa 70% der betroffenen Haushalte ausmachen. Es gehe dabei um „die Kundengruppe, die bereits jetzt schon neben dem Kabel-TV auch Streamingdienste nutzt, in dieser Welt unterwegs ist und sie schätzt“. Bei der Telekom ist man selbstbewusst, diesen Menschen ein „spannendes Angebot“ machen zu können und „die Menschen von unserem Produkt und unserem Preis-Leistungsverhältnis zu begeistern“. Man hoffe so „einen relevanten Anteil“ der 12,5 Millionen Haushalte für sich gewinnen zu können.

Dr. Niklas Brambring, CEO bei Zattoo, rechnet nicht mit „Millionen neuer Nutzer für unser eigenes Produkt“. Daher sei der Wegfall des Nebenkostenprivilegs, im Gegensatz zu Telekom und Vodafone, für Zattoo nicht „so handlungsrelevant“: „Wir versuchen einfach bei der Bewegung, die wir mit Sicherheit voraussehen, ein kleines Stück von dem Kuchen abzubekommen“. Das gelinge bisher sogar besser als geplant, man wolle aber abwarten, wie sich die Zahlen entwickeln. „Die Stunde der Wahrheit kommt in der zweiten Jahreshälfte, wo wir sehen, was dabei rumkommt“, dämpfte er direkt die eigene Euphorie. Im Wettstreit mit den großen Playern macht er fehlende Cross-Selling-Optionen als Nachteil für Zattoo aus. Während „TV für die Telekom auch ein Vehikel ist, Internetkunden zu halten und zu gewinnen“, müsse man bei Zattoo das Geld „mit TV selbst“ verdienen.

Anders als die Telekom wolle man bei Zattoo dabei auch ältere Menschen überzeugen: „Mit über 50 hat man wahrscheinlich eine WhatsApp-Nutzung, hat schon mal bei YouTube was gesehen und im Zweifel auch schon mal bei Netflix reingeschaut. Wenn man das hinbekommt, dann bekommt man auch Zattoo oder die Angebote andere TV-Dienste hin“. Er warb aktiv dafür, digitale Produkte zu probieren: „Es wäre schade, wenn man sich sämtlichen Angeboten, die es im Internet gibt, verschließt. Da verliert man sehr viel.“

Michael Gundall, Fachbereich Digitales & Verbraucherrecht in der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, blickt aus Sicht der Verbraucher auf das Ende des Nebenkostenprivilegs. Er berichtete von immer mehr Beratungsgesprächen zu dem Thema, vielen unentschlossenen Verbrauchern und vielen offenen Fragen in der Bevölkerung. Die Verbraucherzentrale selbst klärt in Webinaren über die Veränderung auf und beobachtet den Wettbewerb genau: „Was wir durch Verbraucher leider wahrnehmen, ist dass der Vertrieb schon ordentlich angekurbelt wird.“ Da wird dann auch mal zu fragwürdigen Mitteln gegriffen: „Uns sind Fälle bekannt, in denen Medienberater durch die Wohnungen gehen und schon mal Verträge auf Vorrat verkaufen – obwohl der Sammelvertrag noch gar nicht gekündigt ist.“

Mit Blick auf mögliche Fernsehpiraterie hat Gundall auch einen wichtigen Hinweis für Mieter parat: „Wenn man Kabelfernsehen nicht nutzt, muss man ein einziges Mal jemanden in die Wohnung lassen, um die Buchse zu verplomben.“ Weitere Kontrollen der Plombe seien dagegen vorrausichtlich nicht rechtens – allerdings ebenso wenig das Entfernen der Plombe. Dieses „kann Konsequenzen haben“, da es sich um den Tatbestand „Siegelbruch“ handeln könnte.

Auch der erste Tasting Talk des neuen Jahres endete mit einer Weinempfehlung von Gastgeber Florian Leiber. Am Freitagnachmittag präsentierte er den Aristocratico Amarone della Valpolicella DOCG aus dem Jahr 2019. Der italienische Wein aus Verona wurde mit einer Mundus Vini Goldmedaille prämiert und besticht durch den einzigartigen Geschmack dunkler Früchte, Gewürze und einem Hauch Schokolade.

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