Media Tasting News

23
Jun

„One size fits all“ funktioniert nicht mehr

Am zweiten Tag der Tasting Talks Week lag der Fokus auf dem aktuellsten und am meisten diskutierten Thema: Streaming. Die Einleitung dazu gab Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia. Er stellte gleich zu Beginn klar:

„Streaming verändert den Content“. Bei einem Überblick über die Marktsituation des ersten Quartals 2020, wurde deutlich, dass in der Branche „unglaublich viel passiert ist“. So sind Disney + und Quibi erst vor wenigen Wochen an den Markt gekommen, gleichzeitig investieren die bisher vorherrschenden Anbieter Netflix und Amazon Prime bis zu 15 Milliarden Dollar in ihren Content. Danach ging es um die Frage, inwiefern die Corona-Pandemie das Streaming-Verhalten beeinflusst hat. Wenig überraschend ist: Die Nutzung in Deutschland ist seit dem Ausbruch des Virus in KW 12 stark angestiegen.

Aber: Diese Steigerung ist nicht allein auf Covid-19 zurückzuführen. Kerkau geht von einem Interaktionseffekt mit dem zeitgleichen Start von Disney + und den Osterferien aus. Ab Mai ist ein Trend zur Normalisierung des Nutzungsverhaltens erkennbar. Der Streaming-Markt befindet sich durch das Aufkommen von neuen Playern in einer spannenden Umbruchsphase. Bisher stellten Netflix und Amazon Prime ein Duopol auf dem europäischen Markt dar. Doch nun könnte sich ein „3-Spieler-Game“ entwickeln, so Kerkau, denn auch Disney+ gewinnt derzeit viele Nutzer für sich. Apple TV+ und Quibi verfügen nur über geringe Marktanteile. Entscheidend für die Attraktivität einer Plattform ist vor allem die Anzahl der verfügbaren Titel. Hier liegen erneut Amazon Prime und Netflix mit ca. 4.000 bis 6.000 Titeln vorne. Abschließend erläutert Kerkau das Spannungsfeld des Passwort-Sharings. Bei Netflix nutzen durchschnittlich 2,79 Personen einen bezahlten Account gleichzeitig. Durch den recht hohen Beitrag von 7,50 Dollar im Monat sind die daraus resultierenden Einbuße für den Anbieter allerdings gut verkraftbar. Bei Disney+ nutzen im Schnitt 2,52 Nutzer einen Account. Allerdings verlangt Disney + einen deutlich niedrigeren Preis. Es bleibt abzuwarten, wie der neue Player mit dieser Herausforderung umgeht.

Über den ersten Geburtstag der Plattform Joyn Face2Face sprach SWR-Moderatorin Hendrike Brenninkmeyer mit Katja Hofem, CCMO und Geschäftsführerin Joyn, und Alberto Horta, Stellvertretender Geschäftsführer von Discovery Deutschland.

„Joyn bringt das Beste aller Welten zusammen“, erklärte Katja Hofen das Geschäftsmodell. Neben 60 Sender, die live gestreamt werden können und der umfangreichen Mediathek bietet Joyn Originals an, das heißt Serien, die eigens für die Plattform entwickelt wurden. Seit kurzem gibt es auch das Angebot Joyn@Home. Von der Idee zur Umsetzung vergingen nur wenige Tage. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Beim jungen Publikum sind die kurzen Beiträge von 10 bis 20 Minuten äußert beliebt. Die Kooperation von ProSiebenSat.1 und Discovery sei exemplarisch für ein Geschäftsmodell der Zukunft: „Coopetion ist das Leitmotiv der neuen Zeit“, brachte es Alberto Horta auf den Punkt. „One size fits all“ funktioniere nicht mehr. Und wenn alle auf das gemeinsame Ziel hinarbeiten, werde es künftig noch mehr Coopetition geben. Auf die Frage, ob es denn künftig noch das klassische Lagerfeuer-Fernsehen geben werde: Ja, natürlich – sagten die beiden Manager. Live-Sport und Live-Shows verbinde viele Menschen vor dem Bildschirm. Die Menschen bräuchten Momente, in denen sie mit Kollegen am Wasserspender stehen und darüber sprechen, was sie zuletzt gesehen haben.

Diesen Gesprächsstoff bieten non-lineares und lineares Fernsehen – beide mit unterschiedlichen Erzählweisen. Über die unterschiedlichen Ansätze sprachen Wolf Osthaus, Director Public Policy, Netflix Services Germany, und Shona Fraser, Stellvertretende Programmbereichsleiterin, RTLZWEI. Online würden Soaps oft abgerufen. Sie erzählen schneller und dichter, berichtete Fraser. Beim linearen Fernsehen möchte der Zuschauer sich eher entspannen, deshalb enthalten Serien nur maximal drei Handlungsstränge. Auch ermöglichen Werbeunterbrechungen, dass man „ein bisschen relaxter zuschaut“. Studien und Erfahrungswerte haben ergeben, dass die Zuschauer beim klassischen TV nicht interaktiv oder mit neuen Erzählformen gefordert sein möchten. Sie wollen einfach nur unterhalten werden. „Die Art der Nutzung ist bei uns natürlich anders“, sagte Osthaus. „Bei Netflix kann jeder das finden, was ihn interessiert.“ Die Geschichten seien wie ein „langer Spielfilm“ mit komplexen Storylines. Exemplarisch dafür stehe der weltweite Erfolg der Netflix-Serie „Dark“. Der Wettbewerb um die besten Stories mache sich an einem Punkt bemerkbar und das betonten beide Sprecher: Kreative Talente sind rar. Fachkräfte für TV-Produktionen werden händeringend gesucht. „Hier sollten wir uns gegenseitig unterstützen“, schlug Fraser vor.

Wie das Radio der Zukunft aussieht, stellte Christian Hufnagel, Referent beim SWR, anhand von SWR Audio Apps, Sprachassistenten und Radio im Auto vor. Alle Angebote sind im SWR Audio Hub gebündelt, die Kollegen arbeiten in der Cloud zusammen. Für die Nutzung im Auto hat der SWR eine In-Car-Strategie entwickelt, die Car Dashboards und sogenannte Third Party Dashboards mit einbezieht. Bei der App kann der Nutzer selbst bestimmen, was er hören möchte. Neue Radioerlebnisse schafft auch „Das Ding Mix“, der individuell zugeschnittene Inhalte liefert. Bei Skills für Smart Speaker ist das SWR-Audio-Team im Austausch mit großen Plattformen. Spannend sei hier, Angebote für bestimmte Situationen wie Pendeln zu entwickeln. Fr alle drei Formen gilt: „Der Nutzer steht immer im Vordergrund.“

Durch die Veranstaltung führte Frank Apfel, Initiator der Tasting Talks Week und Geschäftsführer von Apfel Programm Marketing. Nicht fehlen durfte heute auch nicht der Kompass und die thematisch bespielte LED-Leinwand, mit dem Frank Apfel zwischen den Tastings virtuell reiste. Die Teilnehmer konnten alle Sessions in 3D-Audio verfolgen, umgesetzt von den Audio-Experten von Media Apes.

Die Genussempfehlung am Dienstag: Plansel Reserva Rot 2017 aus Portugal. Dorina Lindemann lebt mit ihren Töchtern Julia und Luisa im Alentjo in Portugal. Die deutsche Winzerin ist vor vielen Jahren ausgewandert und hat ein Weingut der Spitzenklasse aufgebaut. Ihre Weine werden auch in Deutschland vertrieben.

http://media-tasting.de/weingut-plansel

Autorinnen: Sigrd Eck, Larissa Middelkoop