Media Tasting News

24
Jun

Achtsamkeit ist sinnstiftend

Der dritte Tag der Tasting Talks Week war ein besonderer, denn er befasste sich diesmal nicht mit einem klassischen Medienthema, sondern blickte über den Tellerrand. „Ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind die Zukunftsbedingungen für die Medien“, sagte Frank Apfel, Initiator der Tasting Talks Week und Geschäftsführer von Apfel Programm Marketing. Am „Responsibility Day“ ging es also um Nachhaltigkeit – ein großes Thema, mit ungewissen Rahmenbedingungen. Kann ich als Medienschaffender überhaupt nachhaltig handeln? Zweifelsohne ist dies möglich, allerdings braucht es dafür eine Werteorientierung.

Dr. Ernst Fritz-Schuber, Direktor des Fritz-Schubert-Instituts und Einführer des Schulfaches „Glück“, machte dafür den abstrakten Begriff „Wert“ greifbarer. Zunächst muss klar sein, dass jeder Mensch wertgeschätzt werden will. „Das macht uns als Menschen aus, dadurch fühlen wir uns gut“, so Fritz-Schubert. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir uns unter „Wertschätzung“ auch etwas vorstellen können, denn wenn dies nicht gelingt, kann die Realisierung von Werten in keinem Lebensbereich funktionieren. Der Wertekompass verdeutlicht die Korrelation von Werten und positiven Gefühlen: Jeder Mensch strebt nach Lust. Wenn wir einen lustvollen Zustand erreichen, entsteht ein personaler Wert – weil wir diesen Zustand „wert“-schätzen. Wenn wir aber in einer Zwangssituation sind, empfinden wir Unlust, daraus können wir keinen Wert entwickeln. Das Erreichen von Lust ist ein permanenter Lernprozess.

Schubert überträgt dieses Modell auf die Arbeitswelt: „Wertorientierung und betriebswirtschaftliche Ziele müssen und können übereinstimmen“. Denn auch im Berufsleben strebt jeder Mitarbeiter nach Lust, die sich durch den Wunsch nach selbstbestimmtem Handeln, Geborgenheit und sinnstiftender Tätigkeit ausdrückt. Wenn ein Unternehmen also von einer Werteorientierung spricht, muss diese immer im Einklang mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter stehen. Klare Aufgabenverteilung, Kommunikation und wirtschaftliche Sicherheit können erste Ansatzpunkte sein.

Nach einer kurzen 3D-Sound-Einlage wurde Greta Rossi zugeschaltet. Die Gründerin von Recipes for Wellbeing begann ihren Vortrag mit eindrucksvollen Fakten zur Internetnutzung: Jeder Mensch verbringt im Schnitt 40 Prozent seiner „wachen“ Zeit mit digitalen Medien, während der Corona-Pandemie vermutlich noch mehr. Es stellt sich also die Frage, was diese enorme Nutzung eigentlich mit unserer mentalen Gesundheit macht.

Rossi leugnet keinesfalls die positiven Seiten des Internets, wie z.B. der unbegrenzte Austausch mit Familie und Freunden. Sie weist aber auch auf den negativen Einfluss digitaler Technologien hin: Wir befinden uns in einem „binge eating of digital junk food“. Durch die ständige Internetnutzung wollen wir immer mehr – das zerstört dauerhaft, wir fühlen uns schlapp und antriebslos. Rossi plädiert daher für eine „rebalance of our digital wellbeing“. Wir müssen die Vorteile von digitalen Technologien kompetent nutzen können, aber gefährliche und ungesunde Einflüsse aktiv vermeiden.

Um dies zu erreichen gibt es drei „Zutaten“: An erster Stelle steht das digitale Selbstbewusstsein. Wann und wie viel nutze ich digitale Medien? Ist das auch immer notwendig? Zweitens sollte man wissen, welche persönlichen Vorteile die neuen Technologien bieten, und diese auch wertschätzen. Abschließend muss man aber auch erkennen, was in seinem individuellen digitalen Leben nicht so gut funktioniert. Wonach bin ich süchtig? Welche Inhalte schaden mir?

Zusammenfassend kann mehr Achtsamkeit und Verantwortung für uns selbst also sinnstiftend sein, und uns näher an die Erfüllung unserer Werte bringen. Doch beim Thema Nachhaltigkeit kommt es nicht nur auf die Verantwortung für sich selbst an, sondern auch auf verantwortungsvolles Handeln im Sinne der Gemeinschaft. Diesen Aspekt erläuterte Michael Willberg, der CEO von Ultrasone, eindrucksvoll in seinem Talk Impuls. In seinem Vortrag „2030: Disruptive Evolution oder Zusammenbruch?“ wurde deutlich, warum jeder einen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten kann. Die Menschheit lebt deutlich über ihren Verhältnissen: Um unseren aktuellen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, bräuchten wir eigentlich 2,5 Erden. „Wenn es so weiter geht, bleiben nur zwei Szenarien: Genozid oder Ökozid“. Der Klimawandel wird vor allem diejenigen treffen, die sich nicht wehren können. Das wird zu einer großen Migrationswelle führen. Politik und Industrie beteiligen sich nicht ausreichend an der Realisierung von Nachhaltigkeit, oftmals geht es nur um Machtspiele.

Willberg rief daher dazu auf, dass sich jeder Einzelne von uns jetzt für ein nachhaltiges Leben entscheiden muss. Dabei kommt es einerseits auf unser Konsumverhalten an: Wir dürfen uns nicht von Werbe- und Marketingexperten leiten lassen, die uns ständig zu neuen Käufen anregen wollen. Man muss sich immer fragen: Brauche ich das und macht es Sinn das zu kaufen? Außerdem sollten wir marktwirtschaftliche Theorien hinterfragen und von einer „Ich kriege das, und du hast nichts davon“-Mentalität zu einem Win-Win Mindset kommen, in dem jeder Teil der Gesellschaft profitieren kann. Willberg sieht diesen neuen „Evolutionsschritt der Vergesellschaftlichung“ als einzige Möglichkeit, einen Zusammenbruch 2030 zu verhindern.

Anschließend sprach Prof. Steffen Walz, Explorer bei Diconium Digital Solutions und Forscher im Gaming-Bereich, über Nachhaltigkeit in der Kreativwirtschaft.  Er ist einer der Initiatoren der „creatables“. Diese Gemeinschaft möchte Nachhaltigkeitsziele als Chance sehen. Denn bisweilen wird Nachhaltigkeit oft als Bedrohung oder Wirtschaftsbremse angesehen. Dabei nutzt Walz seine Fähigkeiten aus dem Gaming Bereich als Tools für die digitale Transformation. Einsatzbereiche liegen zum Beispiel in der digitalen Bildung oder in der Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen. Auf der creatable-Webkonferenz im Juni 2020 wurde ein Diskurs zwischen Unternehmen und Kreativen hergestellt, um die Nachhaltigkeitsziele gemeinsam anzugehen.

Walz verdeutlicht, dass es eben nicht nur um „Bäume pflanzen“ geht, sondern es weitaus mehr Möglichkeiten gibt. Exemplarisch stellte er dabei eine Nachhaltigkeitskette vor: Der Outdoor-ausstatter Vaude produziert seine Produkte zum Großteil aus recycelten Materialien und arbeitet mit dem Medienunternehmen Lightshape zusammen, welches Virtual Reality Anwendungen bereitstellt. Diese beiden Unternehmen kooperieren mit dem Reparaturdienstleister iFixit, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, Produkte, die der Normalverbraucher eigentlich entsorgen würde, zu reparieren. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist also in der Kreativwirtschaft angekommen, auch wenn dessen Umsetzung Mut zu neuen Ansätzen braucht.

Im Anschluss konnten die Teilnehmer mit den Speakern ins Gespräch kommen und in Breakout Rooms ihre Fragen und Anregungen teilen. Abschließend gab es wie immer einen Weintipp von Frank Apfel. Die Genussempfehlung am Mittwoch: Cuvée „3 Schwestern“ vom Weingut Weegmüller in Neustadt Weinstraße Haardt, welches bis heute familiengeführt ist: http://media-tasting.de/weingut-weegmueller