Media Tasting News

25
Jun

Welchen Wert hat die Wahrheit?

Fake News, journalistische Verantwortung und Medienkompetenz standen im Mittelpunkt des Media Future Days. Der dritte Tag der Tasting Talks Week wurde zusammen mit der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) gestaltet.

„Corona hat die Medienbranche mit Wucht getroffen. Und viele Rundfunkanbieter stehen deshalb vor einschneidenden Veränderungen“, konstatierte Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident und Vorsitzender des Vorstandes, Landesanstalt für Kommunikation (LFK), in seiner Key Note.

Einerseits ist der Informations- und Entertainmentbedarf rasant angestiegen und die Medienhäuser profitieren von der stark wachsenden digitalen Reichweite. Andererseits führen drastische Einbrüche der Werbeeinnahmen zu Kurzarbeit und schlimmstenfalls zu Kündigungen. Gleichzeitig ist der Druck auf die Medienschaffenden groß: Es gilt, schnell und fundiert über die Entwicklungen in der Corona-Krise zu berichten. Allerdings ist es nicht einfach, der Forderung nach guter und umfassender Berichterstattung nachzukommenden. Home-Office und schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen zwingen Anbieter, ihre Erlösmodelle anzupassen. Ein weiteres Problem ist die Diskreditierung der Medien durch Verschwörungstheoretiker und Hassbotschaften im Internet, die auf verschiedenen digitalen Wegen auf dem Vormarsch sind.

„Trotz all dieser Umstände haben Medienunternehmen schnell und flexibel auf die Krise reagiert“ bilanzierte Dr. Kreißig. Es wurden neue Formate auf den Weg gebracht, um Bürgerinnen und Bürger über aktuelle gesetzliche Regelungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren. Hier zeigt sich die Wichtigkeit von lokalen und regionalen Medien. Ohne ihren Beitrag wäre eine gute Krisenbewältigung nicht möglich. Die Medienlandschaft hat eine Lernphase durchlaufen, von der sie auch nachhaltig profitieren kann.

Fake News waren auch das Thema von Prof. Dr. Oliver Zöllner, Professor für Medienforschung, internationale Kommunikation und Digitale Ethik an der Hochschule der Medien. In seinem Tasting erläuterte er, warum „Desinformation der Kitsch der digitalen Gesellschaft“ ist. Kitsch hat die Aufgabe, Stimmungen zu erzeugen. „Kitsch schreit dich an, weist in die Vergangenheit zurück.“ Viele Menschen geben sich damit zufrieden. Aber anders als Nippes-Figuren im Regal, die auch Kitsch sind, richten Fake New mit ihren Verleumdungen echten Schaden an. Sie zerstören mit ihren permanenten Wiederholungen die Grundlage für die Wahrheit. „Deshalb dürfen wir den Kitsch nicht verharmlosen.“

„Unsere Gesellschaft braucht ein neues Miteinander, sie muss sich über ihre Werte verständigen. Was sind uns Wahrheit und Vernunft wert?“ fragte Prof. Zöllner. Es benötige einen „neuen Grundkonsens der Bürgerinnen und Bürger.“ Wir brauchen eine „robuste Zivilität“, die offen ist für Argumente von allen Seiten. Es gelte, „erwachsen zu werden. Es geht um mehr als Spaß an Katzenvideos zu haben.“ Stattdessen müssen Desinformation erkannt und bekämpft werden. Dazu sei eine reflexive Medienkompetenz nötig. „Wir stehen am Anfang eines Lernprozesses, der weit in die Zukunft weist“.

In der anschließenden Diskussion, die von SWR-Moderatorin Hendrike Brenninkmeyer geleitet wurde, unterstrichen Dr. Wolfgang Kreißig und Prof. Oliver Zöllner das duale Rundfunksystem in Deutschland als positives Beispiel. Hier findet guter Journalismus statt. Gerade lokale Medien zeichnen durch Verbundenheit mit den Menschen und Themen vor Ort aus, sie stiften Identität. Dadurch unterscheiden sie sich auch signifikant von globalen Anbietern.

Die gesellschaftliche Frage, die sich stellt, ist aber: Was sind wir bereit, für guten Journalismus zu bezahlen? „Wir müssen an einem Strang ziehen, sonst könne man globalen Playern nichts entgegensetzen“, betonte Dr. Kreißig. Zöllner appellierte daran, die Medienkompetenz schon an der Grundschule auszubilden und „nicht erst in der 12. Klasse oder im schlimmsten Fall gar nicht.“

Mit der provokanten Frage „Ist Radio noch relevant?” stieg der Publizist, Berater und Unternehmen Michael Praetorius in sein Tasting ein und zog eine ernüchternde Bilanz. „UKW ist tot und der Werbemarkt ist irrelevant geworden.“ Das zeige sich auch daran, dass „keiner der großen Player sich die Mühe macht, im Radio anzugreifen.“ Die Radiovermarkter seien weit weg von Werbemöglichkeiten, wie sie Google und Facebook anbieten. Geschäftsmodelle funktionieren heute anders, auch die Wege, Aufmerksamkeit zu erhalten, sind völlig neu. Die vier Eckpfeiler digitaler Business Modelle sind Praetorius zufolge: Eigene Plattformen zu betreiben, das Nutzungsverhalten zu analysieren, eigene Inhalte zu besitzen und aus Nutzungsverhalten und Inhalten einen Algorithmus zu entwickeln, der Nutzer im System hält. Auf der einen Seite gelte es, Werbekunden an sich zu binden, auf der anderen Seite seine Zielgruppe. Beide würde das Kernprodukt verbinden. Die Experten, die es früher im Radio gab, sind auf digitalen Kanälen zu finden. „Personalities sind heute Medienmarken.“ Als Beispiel nannte er Hartmut Conrad als Wohnmobilinfluencer, Stars auf TikTok, die Buchhandlung Osiander aus Tübingen oder Märklin. „Sie haben Storytelling verstanden.“ Sein Fazit: „Alle müssen verstehen neue Inhalte anders zu produzieren und gleichzeitig über neue Plattformen zu distribuieren.“

Ist die Krise eine Chance? Diese Frage formulierte n-tv-Moderator Marcel Wagner in eine Behauptung „mit Ausrufezeichen“ um. Zwei Entwicklungen belegen dies: Die Arbeit in Zeiten von Corona hat sich, auch bei der Mediengruppe RTL Deutschland, räumlich, personell und inhaltlich verändert. Home-Office und Abstandsregelungen erfordern veränderte Arbeitsabläufe – und die funktionieren ausgezeichnet. Zum anderen sind die Zuschauerzahlen im TV und die User-Zahlen im Internet enorm gestiegen. „Die Menschen wollten informiert werden und das auch durch uns“, sagte Wagner. So sind beispielsweise die Visits von n-tv im April um 142,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Im TV lag der Marktanteil bei Sendungen wie der Ansprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel bei 20 Prozent.

Deshalb „haben wir jetzt die Möglichkeit zu zeigen: Es gibt uns nicht nur, sondern wir machen einen guten Job.“ Und: „Wir kennen unsere Verantwortung als Journalisten und wir wissen damit umzugehen.“

In den Breakout-Sessions, die vom Medienjournalisten Dr. Jörn Krieger moderiert wurden, konnten die Teilnehmer die Referenten direkt befragen. Durch die gesamte Veranstaltung führte auch am Donnerstag Frank Apfel, Initiator der Tasting Talks Week und Geschäftsführer von Apfel Programm Marketing. Nicht fehlen durfte natürlich der 360-Grad-Sound sowie die thematisch bespielte LED-Leinwand, mit dem die Teilnehmer zwischen den Tastings virtuell reisen konnten.

Der Genusstipp war diesmal der Traubensaft-Secco von Marie Menger-Krug vom Sektgut Motzenbäcker. Der Traubensaft Secco ist alkoholfrei, vegan und hundert Prozent biologisch. Der Motzenbäcker Secco wird nicht gegärt und ist damit, im Gegensatz zu den meisten Traubensaftsekten, zu hundert Prozent alkoholfrei.

http://media-tasting.de/sektgut-motzenbaecker